Beginen­kultur

900 Jahre Geschichte der Begi­nen in Europa haben Frauen unserer Zeit ermutigt und bestärkt, eigen­ständige Lebens-, Wohn- und Wirt­schafts­formen auto­nom zu ent­wickeln. Die Beginen waren selbst­ständige Frauen, die seit dem Mittel­alter in großen oder kleinen Zu­sam­men­schlüs­sen, in Beginen­kon­venten oder Beginen­höfen, lebten. Ihre wirt­schaft­liche Unab­hängig­keit erlangten sie durch Stif­tun­gen, das Ein­bringen ihrer jewei­ligen Besitz­tümer, ihrer erlernten Fähig­keiten und durch ihre Arbeit.

Mit dem Namen "Dach­ver­band der Beginen" wird an die histo­rischen Beginen erinnert. Die heu­tigen Beginen fühlen sich der gesell­schaft­lichen Gleich­stellung von Frauen, der Gewalt­freiheit, dem scho­nen­den Umgang mit der Natur und den Res­sour­cen unseres Pla­neten ver­pflich­tet. Sie unter­stützen sich gegen­seitig und nutzen die Unter­schied­lichkeit der Frauen für die indi­viduelle Weiter­ent­wicklung und die der Gemein­schaft (affidamento).

Inno­vative Wohn-, Arbeits-, Wirt­schafts- und Lebens­formen ent­stehen in Zu­sam­men­wohnen, -leben und -ar­beiten in Beginen­projekten sowie in Be­ginen­höfen. In Ini­tiativen und als ein­zelne Frauen unter mo­dernen Bedin­gungen wird ein unab­ge­schlos­sener Pro­zess in Gang gesetzt, der der poli­tischen Frauen­eman­zipa­tion eine neue Dimen­sion hin­zufügt.

Beginen im Mittel­alter

Das gemalte Bild zeigt das Bildnis einer Frau mit einer weißen Haube. Sie ist eine Begine.
Portrait einer Begine. Das Original hängt im Beginenhof Essen.

Die Beginen waren in der neu­eren Ge­schichts­schrei­bung in Ver­ges­sen­heit geraten. Nach Aus­sagen von Histo­riker­innen ent­stand die "Bewe­gung" schon im 12. Jahr­hun­dert. Die Be­ginen waren in ganz Euro­pa ver­breitet, allein in Deut­schland gibt es noch in über 665 Städten Archiv-Mate­rialien über Beginen.
Die An­fänge des Beginen­tums lagen in den Nieder­lan­den, (die damals noch nicht ge­trennt waren in Belgien, Nieder­rhein und den heu­tigen Nieder­landen), wo Frauen sich zusam­men­schlos­sen, um außer­halb von Kloster­mauern ein geist­liches und tätiges Leben zu ge­stalten. In der Lite­ratur wird im­mer wieder darauf hin­ge­wiesen, dass diese Bewe­gung an vielen Or­ten spon­tan auftrat. Sie wur­de von keiner kirch­lichen oder welt­lichen Insti­tution ge­steuert.
Im Gegen­satz zu Non­nen legten Begi­nen ein "Ver­sprechen" und kein Gelüb­de ab. Sie lebten in Kon­venten und Beginen­höfen, wählten eine "Meis­terin" und gaben sich eigene Regeln. Beginen waren über­wiegend wirt­schaftlich unab­hängig. Sie arbei­teten u. a. als Hand­werkerin­nen, Künstler­innen und Kauf­frauen und in allen Heil- und Lehr­beru­fen. Sie teilten das gemein­sam erwirt­schaftete Ver­mögen, behiel­ten aber ihr priva­tes Vermögen. Sie wid­meten sich z. T. der medi­zini­schen Ver­sorgung der Bevöl­kerung in den damals ent­stehen­den Städten. Ihre stärkste Ver­breitung erlebte die Be­wegung bis ins 15. Jahr­hundert.
Ent­schei­dend für den Nieder­gang der Be­ginen wurde ihre Art zu leben, wodurch sie in das Span­nungs­feld anderer rivali­sierender Mächte und Grup­pen gerieten. Kirche, Rats­herren und Zünfte trugen ihre Kon­flikte auf dem Rücken der Be­ginen aus. Über­lebt haben in Fland­ern die Höfe, die nach den Religions­kriegen unter spa­nischer katho­lischer Herr­schaft eine Gegen­refor­mation erlebten. Aber auch ander­orts gab es noch lange Beginen, so starb die letzte im katho­lischen Essen erst 1884, die letzte im protest­antischen Bremen gar erst 1997!
1998 hat die UNESCO 13 Beginen­höfe in Flan­dern zum Welt­kultur­erbe erhoben. Auch wenn dort heute keine Beginen mehr leben und wirtschaften: diese Höfe aus den vergangenen 750 bis 800 Jahren strahlen eine eindring­liche Atmos­phäre aus, sind und bleiben welt­weit ein Vor­bild für Frauen­wohnen und -leben.

Beginen heute

Die neue Beginen­bewe­gung in Deutsch­land ent­wickel­te sich seit 1985 in ver­schie­denen Städten, ohne dass die Frauen von­einan­der wussten. Femi­nis­tinnen, Histori­kerin­nen und Theolo­gin­nen ent­deckten und er­forschten das Leben der histo­rischen Be­ginen. Es ent­standen erste Beginen­vereine, die später die ersten Frauen­wohn­pro­jekte als "Begi­nen­höfe" initi­ierten. Ziel ist es, zur Huma­nisierung der heu­tigen Gesell­schaft beizutragen und gemeinschaftliche generationsübergreifende Lebensformen zu entwickeln, die den alltäglichen und spirituellen Bedürfnissen von Frau­en ent­sprechen. Charak­teris­tisch für die Bewe­gung ist ihre Viel­falt.

Dazu zählen ins­beson­ders die Lebens- und Arbeits­gemein­schaften in den Beginen­höfen mit deren Freun­dinnen und Unter­stüt­zerinnen. Die dem Dach­ver­band an­geschlos­senen 17 Beginen­höfe (Stand 2019), Beginen­gemein­schaften und Einzel­beginen stehen unter­einander in regem Kon­takt in einem gut funktio­nieren­den Netz­werk. Neu ge­grün­dete Beginen­gemein­schaften parti­zipie­ren von dem reich­haltigen Er­fahrungs­schatz der be­stehen­den Gemein­schaften und Ver­eine.

Wander-, Einzel-, Gruppenbeginen - Versuch, die Vielfalt zu bestimmen. Von Begine Sr. Brita Lieb

Flagge der Schweiz, rundInternationale Vernetzung:

2021 Beginen in der Schweiz.
2023 USA, „Community St. Anna“ und Irland

Beginen­forschung

In der Geschichts­schrei­bung ist die europa­weite Beginen­bewe­gung, die im­mer­hin 900 Jahre an­hielt, weit­gehend ver­gessen wor­den. Die mo­derne Beginen­bewe­gung hat es sich zur Auf­gabe gemacht, die histo­rischen Be­ginen dem Ver­ges­sen zu ent­reißen. Der Dach­ver­band unter­stützt deshalb wissens­chaft­liche Ar­beiten und For­schungen zur histo­rischen wie auch der heu­tigen Bewe­gung. Der Dach­ver­band ist stets auf der Suche nach wei­teren Begi­nen-Zeug­nissen und -orten. Wer also Lust und Inte­resse hat, in die Ar­chive zu gehen oder auf Beginen­orte hin­zu­weisen, melde sich bitte unter:
kontakt[at]dachverband-der-beginen.de

Begine Sr. Brita Lieb hat ein umfang­reiches Beginen­archiv zu­sam­men­getra­gen. Sie gewährt gern Einblick in das Ma­terial und kommt Bitten um Aus­kunft so schnell wie möglich nach:

Begine Brita Lieb
Jagdweg 6
36100 Petersberg-Steinau
Tel.: (0661) 25 093 35
Mobil: 0176 413 09 006
begine.brita[at]familielieb.de